Mein Schutzengel auf vier Pfoten

Es gibt schon sehr viele berührende und tolle Geschichten hier im Blog. Alle auf ihre Weise in wunderbare Worte gefasst. Und auch ich werde versuchen, hier meine Geschichte zu erzählen. Sie beginnt am Valentinstag des Jahres 2021.
 

Gemütlich lag ich zusammen mit meinem Mann auf der Couch und sah fern. Mein Kater entschied sich, sich zu uns zu gesellen, und sprang vom Boden aus direkt auf meine Brust. Ein kurzer stechender Schmerz durchfuhr mich und erschrocken tastete ich nach, was das jetzt gewesen sein könnte. Mir wurde etwas mulmig, als ich auf der Unterseite der Brust einen ordentlich großen Knoten spüren konnte und ließ meinen Mann tasten, um eine Bestätigung von ihm zu erhalten. Ich hatte zwar gehofft, dass ich mich geirrt hatte, aber auch er konnte den Knoten deutlich spüren. Es war Valentinstag und Sonntag, es gab also keine Möglichkeit, einen Termin auszumachen und das rasch abzuklären. Gleich am nächsten Tag in der Früh rief ich bei meinem Frauenarzt an, und bekam für den nächsten Tag auch sofort einen eingeschobenen Termin. Nach der zweiten Nacht mit wenig Schlaf war ich froh, als die Assistentin am nächsten Tag anrief und mir sagte, dass ich sofort kommen könnte und nicht bis nachmittags warten musste.

Der Frauenarzt schrieb mir nach dem Abtasten sofort eine Überweisung für eine Mammographie und einen Brust-Ultraschall und ich rief an, um einen Termin zu festigen. Da ich in dieser Woche schon einen Kontrolltermin für meine MS (Multiple Sklerose) hatte, konnte mich die Assistentin anschließend an meinen Termin, gleich für die Mammographie einteilen. Zwei Tage später war es dann auch schon so weit, und sowohl bei der Mammographie, als auch beim Ultraschall war deutlich eine Veränderung sichtbar. Ich hatte die Besprechung mit Frau Doktor Glück und in diesem Fall war ihr Name wirklich von Bedeutung. Dank ihr hatte ich das Glück, sofort an die richtigen Leute weitergeleitet zu werden. Sie besprach mit mir die Bildgebung und sagte mir, dass sie das gerne abgeklärt hätte, weil es ihrer Meinung nach nicht so gut aussehen würde, aber man müsste das natürlich prüfen.

Bereits eine Woche später hatte ich den Biopsietermin bei Dr. Stefan Hiehs im Krankenhaus Zams. Er erklärte mir genau, was er bei mir jetzt macht und was er sieht, und er war dabei sehr einfühlsam. Ich hatte keinen Moment das Gefühl, dass ich Angst haben müsste. Allerdings war auch er sich schon bei der ersten Bildgebung recht sicher, dass das, was da in meiner Brust war, wohl nicht sehr gut war.

Ich ging nach Hause zu meinem Mann und besprach mich mit ihm. Was könnte jetzt alles auf uns zu kommen? Und vor allem: wie sollten wir jetzt damit umgehen? Bei einem waren wir uns ziemlich schnell einig: am Besten wäre es, beide Brüste abnehmen zu lassen.

Am Freitag ging es dann zur Befundbesprechung mit Dr. Stefan Hiehs und wie wir schon befürchtet hatten, hatte ich einen bösartigen Tumor – einen Antigen Tumor, HER2pos. Was das genau bedeutet, habe ich natürlich erst mit der Zeit erfahren. Natürlich war der Schock im ersten Moment einfach groß. Auf die Frage, wann wir dann die Brüste amputieren könnten, reagierte Stefan mit der Antwort, dass das genau das Falsche wäre, aber den Rest würde ich mit Doktor Sandbichler besprechen. Also brachte er uns zu Primar Sandbichler, wo uns das ganze Prozedere erklärt wurde. Dort wurde ich auch gefragt, bis wann ich denn mit der Chemo anfangen möchte. Mir wäre am liebsten sofort gewesen. Da es aber ein Freitag war musste ich bis Montag warten. Wir hatten noch das ganze Wochenende Zeit, um uns Fragen zu überlegen, die ich am Montag noch mit dem Arzt besprechen konnte. Ich packte daheim eine Tasche für das Krankenhaus, da ich bei der ersten Chemo für zwei Tage dortbleiben musste. Klarerweise gab es viel zu bereden, zu überlegen und noch viel mehr nachzudenken. Wir haben aber das Wochenende auch noch genossen, indem wir mit den Eltern meines Mannes essen gingen, uns auf den Balkon setzten und Sonne tankten.

Gemeinsam hatten wir beschlossen, dass wir uns von dem kleinen Monster das Leben nicht verderben lassen und vor allem, dass ich mir meinen Humor und meine gesunde Lebenseinstellung nicht nehmen lasse, egal was auf uns zukommt. Zusammen würden wir auch das durchstehen. Denn schließlich lebe ich ja schon seit über 15 Jahren mit der Diagnose MS und auch das haben wir gut in den Griff bekommen und lassen uns dadurch unser Leben nicht vermiesen und unseren Humor nicht nehmen.

Für meinen Schatz war es sehr schwer, mich vor dem Krankenhaus abzusetzen. Corona-bedingt durfte er nicht mit mir hinein. Ich musste allein einchecken, auf mein Zimmer gehen und auf die Ärzte und Schwestern warten – er konnte nicht bei mir bleiben, um mir zur Seite zu stehen.

Die erste Chemo war nicht so toll, aber was sollte man schon machen, da müssen wir jetzt durch. Wir konnten es ja sowieso nicht mehr ändern. Da ich ja bereits vorgewarnt war, hatte ich mir schon einen Termin vereinbart, um eine Perücke anpassen zu lassen, falls meine Haare wirklich sofort ausfallen sollten. Das war dann auch der Fall – bereits zehn Tage nach der ersten Chemotherapie hatte ich büschelweise meine Haare in den Händen, so blieb mir nichts anderes übrig, als diese komplett abzurasieren. Da stand ich dann mit Tränen in den Augen vor dem Spiegel und rasierte meine schönen, langen Haare ab, auf die ich eigentlich immer recht stolz war. Ob ich mich immer noch als Frau fühlte? Ja! Denn als ich ins Wohnzimmer kam, mein Mann mich ansah und sagte „Du bist wunderschön“, da wusste ich, dass er mein Inneres sieht und nicht nur mein Äußeres.

Für mich war wichtig, dass ich trotzdem weiterhin zur Arbeit gehen konnte, wenn auch mit ein paar Einschränkungen, da ich meinen Lebensrhythmus nicht komplett aus der Bahn geworfen haben wollte. Vor allem wollte ich noch zu etwas nütze sein und nicht in ein großes, dunkles Loch fallen, wie damals bei der Diagnose MS. Hier muss ein großes Danke an meine Chefin rausgehen, die mich seit dieser Zeit in allem unterstützt und immer ein offenes Ohr und offene Arme für mich hat. Danke auch an meine Mitarbeiter, die natürlich einen Teil meiner Arbeit mit übernehmen mussten, da ich ja jetzt nicht mehr alles schaffte.

Keiner kann einem wirklich sagen, was eine Chemotherapie mit einem anstellt, sowohl psychisch als auch körperlich. Ich hatte unerträgliche Schmerzen in den Beinen, fühlte mich wie ein Durchlauferhitzer für alles Essen, das ich zu mir nahm, und es gab Tage, da wollte ich alles hinschmeißen. An diesen Tagen stand mir eine tolle Frau zur Seite: Manu, mein persönlicher Krebs-Buddy. Der Kontakt wurde über Dr. Stefan Hiehs hergestellt. Er meinte damals zu mir: „Ich habe genau die Richtige, die zu dir passt.“ Wir hatten erst ein paar Mal geschrieben und telefoniert und haben uns dann auch persönlich getroffen. Ich muss sagen, von meiner Seite aus war es genau das, was Stefan prophezeit hatte. Wir verstanden uns gleich blendend, hatten den gleichen dunklen Humor und die gleiche Lebenseinstellung. Mit ihr konnte ich über alles reden, denn sie wusste ja schließlich worum es ging ­– sie hatte das ja schon alles selbst miterlebt.

Natürlich hatte und habe ich auch tolle Freunde (die Betroffenen wissen genau wen ich meine, denn bei ihnen habe ich mich mehr als einmal ausgekotzt, persönlich und am Telefon, und sie waren immer an meiner Seite – ich nenne aber bewusst keine Namen, um niemanden zu vergessen) und Familie, die mich immer unterstützt. Aber es war trotzdem gut, jemanden zu haben, der weiß wovon man redet, der sich auskennt und der sich in einen hinein fühlen kann, weil er ja schließlich schon alles selbst miterlebt hat.

Ich hatte dann vor meiner OP auch die Möglichkeit, DIE T(H)UMORVOLLEN kennenzulernen, und ich muss sagen, vom ersten Moment an fühlte ich mich in dieser Gruppe geborgen und aufgehoben. Wir lachen zusammen, manchmal jammern wir zusammen, wir schimpfen zusammen, ab und zu weint man auch zusammen, aber meistens genießen wir das Leben zusammen.

Der OP-Termin stand mir ordentlich bevor. Es sollte ja eine recht lange Operation werden. Ich war genauestens aufgeklärt worden, wusste was auf mich zukam und sah dem Ganzen eigentlich positiv entgegen. Natürlich sind fünf Tage Krankenhaus aber nicht das, was man sich unbedingt wünschen würde, vor allem weil ich genau wusste, dass ich meinen Mann und meinen Kater sehr vermissen würde. Zur Unterstützung hatte ich aber AKY – meinen AntiKrebsYeti, ein Geschenk einer sehr lieben und wichtigen Freundin dabei, der machte mir das etwas leichter. Die Operation verlief dann kürzer als geplant, da offensichtlich keine Zellen mehr in der Brust waren und nicht so viel entnommen werden musste, wie ursprünglich gedacht. Allerdings hatte ich die Narkose nicht so gut verarbeitet, wie ich mir das gewünscht hätte. Mir ging es den ersten Tag danach recht schlecht, aber ich wurde im Krankenhaus Zams liebevoll und sehr fürsorglich umsorgt. Als dann zwei Tage später der Befund der Histologie kam, kam Frau Dr. Paulmichl zu mir ins Zimmer, sie hatte operiert und teilte mir mit, dass die Histologie komplett ohne Befund war und keine Tumorzellen mehr vorhanden waren! Das war das erste Mal seit der Diagnose, dass ich richtig heulen musste, aber nicht aus Trauer oder Wut, sondern aus purer Erleichterung. Ich musste nicht noch mal operiert werden und es sah alles mehr als gut aus.

Inzwischen ist auch meine Bestrahlung abgeschlossen. Diese vier Wochen waren auch nicht ohne. Jeden Tag nach Innsbruck zu fahren war sehr anstrengend für mich, aber trotzdem habe ich alles positiv genommen und die Ärzte dort waren auch sehr zufrieden mit dem Ergebnis.

Ich habe aber noch ein ordentliches Stück Weg vor mir. Noch schmerzt die Narbe auf der Brust und muss innerlich noch heilen. Bis März 2022 muss ich noch alle 3 Wochen ins Krankenhaus und bekomme dort meine Antikörper-Infusion, damit der Krebs ja nicht wieder zurückkehrt. Aber den härtesten und schlimmsten Teil, habe ich auf jeden Fall hinter mir.

Dass ich diesen Teil so gut weggesteckt habe, verdanke ich sicher zum einen meiner eigenen, persönlichen, positiven Einstellung und meinem schwarzen Humor, meiner Liebe zur Fotografie und zur Natur (denn da komme ich runter und weg von allen schlechten Gedanken), zum anderen aber ganz bestimmt all den lieben Menschen, die mir in den letzten Monaten zur Seite gestanden haben: meinem Schatz Mike, meinen liebsten Freundinnen (meine Mädels, wie ich sie liebevoll nenne) und Freunden, unseren ganzen Kollegen, unseren Familien und vor allem auch meinem Krebs Buddy Manu und den T(H)UMORVOLLEN. Ohne diese Menschen hätte ich das alles nicht so gut verarbeitet und nicht so gut weggesteckt und ich bin froh, dass es so viele tolle Menschen in meinem Leben gibt.

Ganz besonders froh bin ich aber über meinen kleinen, vierbeinigen, felligen Schutzengel Terence (der inzwischen leider mein richtiger Engel ist, er hat den Kampf gegen seinen eigenen Tumor verloren), der den Tumor entdeckt hat, weil wir dank ihm noch gut darauf reagieren konnten und ich rechtzeitig behandelt werden konnte. Ich hätte den Tumor trotz seiner Größe selbst wahrscheinlich nicht so schnell entdeckt, und wer weiß, wie es dann ausgegangen wäre.

Das Jahr war gezeichnet von Schmerz, Kummer und furchtbaren Verlusten, aber auch von positiven Momenten, neuen Freundschaften und wundervollen Erinnerungen. Ich finde immer und überall etwas Positives, auch in dunkelsten Zeiten. Manchmal dauert es halt etwas länger bis man das Gute sehen kann. Aber auch der Krebs kriegt mich nicht unter, genauso wenig wie es die MS nicht geschafft hat ­– auch wenn das Kämpfen nicht immer leicht ist, so ist es das Leben doch Wert, dass man kämpft!

 

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