Es sind die Begegnungen mit Menschen, die das Leben so lebenswert machen.

Hallo ihr Lieben! Auf die Bitte von Karo hin, trau ich mich nun mal ein bisschen über mich und mein Leben zu erzählen – ganz ohne Brustkrebs. Karo kennt mich seit ca. 20 Jahren – wir haben zusammen im gleichen Betrieb gearbeitet, wir haben uns einander viele Geschichten erzählt, sie hat mich in vielen Lebens-abschnitten begleitet. Man hatte mal mehr und mal weniger Kontakt, doch aus den Augen verloren haben wir uns nie.
 

Nun ja, wo soll ich anfangen? Spulen wir mal zurück.

Ich bin in einem behüteten Elternhaus, als zweites Kind der Familie, im mittleren Ötztal aufgewachsen. Nach dem üblichen schulischen Weg beschloss ich, eine Koch-Kellner Lehre zu machen. Alles hatte gut begonnen, ich war begeistert von meiner Entscheidung der Lehre und mein Leben verlief bis zum 25. November 1993 so, wie bei vielen Jugendlichen: arbeiten, Disco, Sport, Freunde treffen, rebellieren und doch die Jugend genießen.

Bis zu dem besagten Tag war alles gut, doch dann änderte sich mein Leben innerhalb von Minuten schlagartig. Ich war nach einem Einkauf mit meiner Mama zu Hause angekommen, plötzlich und total unerwartet brach sie zusammen und erlitt eine schwere Gehirnblutung. Ich war zu diesem Zeitpunkt alleine mit ihr zu Hause, als ich die Rettungskette in Gang setzte. Im Krankenhaus Innsbruck sagten sie uns am gleichen Abend, dass wir unsere Mama verlieren werden, weil es keinen Sinn mehr machen würde sie zu operieren. Durch den Zeitverlust verursachte das Aneurysma derartige Schäden in ihrem Gehirn, dass es inoperabel sei. Dank meiner Goti, die damals OP-Schwester in diesem Krankenhaus war, kam es jedoch anders. Unsere Mama wurde von einem Arzt, der extra dafür seinen Urlaub abgebrochen hatte, dennoch operiert. Nach dieser OP erklärten uns die Ärzte, dass ihre Überlebenschancen so seien, als ob man einen Grashalm in der Wüste pflanzen würde und der solle dort ohne Wasser wachsen. Unsere Familienwelt brach zusammen, doch wir gaben die Hoffnung und somit unsere Mama nicht auf. Was folgte war: über ein halbes Jahr Komapatientin auf der Intensivstation der Kopfklinik Innsbruck, inkl. Lungenembolien, Thrombosen, Wundliegen und so weiter. Bangen, Angst bewältigen, zermürbt sein, Verzweiflung, Tränen, das Fragen nach dem „Warum?“ standen an der Tagesordnung. Und aus meiner persönlichen Sicht: mit meinen 16 Jahren erlebte ich ein sehr schnelles „Erwachsenwerden“ mit allen Höhen und Tiefen, so wie es in diesem Augenblick aussah allerdings mehr Tiefen als Höhen.

Als meine Mama nach all der Zeit das erste Mal sehr zaghaft erwachte, zeigte sie uns durch ihr Lächeln, dass sie wusste wer gerade bei ihr war und unsere größte Angst war damit Vergangenheit. Doch der Rest ihres halbseitig gelähmten Körpers war wie der Körper eines Kleinkindes – also alles auf Anfang: lesen, schreiben, sprechen, Körperfunktionen, die so selbstverständlich sind, mussten wieder erlernt werden. Reha in Hochzirl, Hermagor, Physio- und Psychotherapien in den umliegenden Ortschaften bestimmten weiterhin unser Leben. Meine Lehre und die Berufsschule wurden zur Nebensache, weil ich versuchte so viel wie möglich für meine Mama da zu sein. Mein Vater und auch mein um 12 Jahre älterer Bruder, taten dies dann nach ihrer Arbeit. Ich hatte bei meiner Lehrstelle den Vorteil, dass ich jeden Tag von 16.00 Uhr bis 01.00 Uhr arbeitete – somit konnte ich den Rest des Tages bei meiner Mama sein.

Und so wurde uns unsere Mama noch 20 Jahre lang geschenkt. Mit vielen Einschränkungen und immer wieder auftretenden Rückschlägen. DOCH SIE WAR DA, und das war das Wichtigste.

Leider verstarb sie dann am 31. März 2013 nach einem Sturz und den damit verbundenen, drei weiteren schweren Gehirnblutungen, innerhalb von einer Woche. Heute kann ich sagen, dass ich froh und dankbar bin, dass ich meine Mama noch 20 Jahre hatte, so wie sie war. Doch eines wird mir immer fehlen. Diese gewissen „Mama-Tochter-Momente“ und Gespräche. Dieses „Mama, wie ist das eigentlich, wenn man ein Kind bekommt?“ und „Mama, hast du Zeit? Machen wir einen Spaziergang?“ wurde mir leider verwehrt, und es fehlt mir heute noch.

Trotz der schweren Zeit während der Krankheit meiner Mama, beendete ich meine Lehre erfolgreich. Ich arbeitete in verschiedenen Gastronomiebetrieben und heiratete mit 24 Jahren meinen damaligen Freund. Mit 26 Jahren schenkte ich meinem ersten Sohn das Leben und 5 Jahre später erblickte mein zweiter Sohn das Licht der Welt. Nach 17 Jahren ging diese Ehe in die Brüche. Meine Kinder waren damals sieben und drei Jahre alt. Es war ein steiniger und harter Weg, den ich dann bestreiten musste. Mit sehr vielen psychischen Tiefschlägen, bis hin zu langanhaltenden Selbstmordgedanken. Kraft aufzubringen für zwei Kinder, in der Nacht arbeiten zu gehen damit man am Tag „Mama“ sein kann, war nicht immer leicht und die wahren Freundschaften in dieser Lebenssituation kristallisierten sich heraus. Wer wirklich zu dir steht und dir hilft und wer genau das Gegenteil tut. Eine seelische „Watsche“ nach der anderen, aber auch schöne Glücksmomente waren dabei. Ich kämpfte wie eine Löwin für und mit meinen Kindern. Jede noch so freie Minute verbrachte ich mit ihnen. War sehr viel sportlich in der Natur mit ihnen unterwegs und versuchte, ihnen die Werte des Lebens so gut es ging zu vermitteln und ihnen Zeit zu schenken.

Diese wirklichen Freunde waren und sind heute noch für mich da. Und unter diesen Freunden, tat sich damals auch ein bis dato nicht so bekannter Mensch hervor und meinte: „Ich helfe dir, soweit ich kann.“ Viele Gespräche folgten und ein unbeschreibliches Vertrauen wurde aufgebaut. Durch diesen einen Menschen und diese Hand voll Freunde, bin ich heute noch da, darf leben und habe den Mut, nicht mehr verloren weiter zu machen. Für meine Kinder, für meine Familie für meine Freunde, jedem einzelnen davon bin heute unsagbar dankbar dafür. Und ich glaube, dass diejenigen, die ich jetzt meine, sich auch angesprochen fühlen, wenn sie diese Zeilen lesen.

Heute bin ich ANGEKOMMEN in meinem Leben, angekommen bei meinen Herzensmenschen. Zu Hause geborgen. Bin total glücklich mit meiner Familie. Werner schenkt mir jeden Tag so viele Sonnenstunden, aus unserer tiefen Freundschaft wurde Liebe und auch diese hat eine sehr bewegende Geschichte hinter sich, doch diese Geschichte steht auf einem anderen Blatt Papier in unserem „Lebensbuch“.

Die Jungs sind inzwischen zu Männern geworden und jeder von ihnen geht seinen eigenen, schulischen und beruflichen Weg. Ich bin unsagbar stolz auf diese wunderbaren Kinder an meiner Seite. Trotz all der Tiefschläge haben wir es geschafft und wir schätzen das Leben jeden Tag aufs Neue.

Mittlerweile habe ich auch der Gastronomie den Rücken gekehrt und arbeite in einer Behinderteneinrichtung, wofür ich zurzeit auch meinen Fachabschluss mache. Nebenbei arbeite ich noch als freie Mitarbeiterin bei einer Zeitung im Oberland. Und solche Geschichten wie „Meine geniale Freundin und der Brustkrebs“, nachzulesen hier – DAS sind unter anderem „meine“ Geschichten. Dinge die das Leben schreiben, Dinge die in der Realität passieren, wo es „menschelen“ tut, und die das Herz berühren. Denn von einer Veranstaltung berichten kann jeder, aber das Leben ist eben nicht immer nur eine Veranstaltung.

Durch meine Lebensgeschichten, habe ich in jungen Jahren schon erfahren, was es bedeutet „gesund“ zu sein, was es bedeutet glücklich zu sein, dieses Glück zu leben und dass im täglichen Leben NICHTS selbstverständlich ist. Ich schätze jeden Einzelnen, der in mein Leben gekommen ist und bin auch dankbar für diejenigen, die wieder gegangen sind – für die Erfahrungen, die ich durch sie sammeln durfte. Ich bin jeden Tag froh, dass ich alleine und selbstständig mein Bett verlassen darf, denn auch dies ist für mich in keinster Weise „selbstverständlich“. Ich liebe es, mich mit Menschen zu umgeben, die mir ans Herz gewachsen sind. Mit ihnen zu lachen, ihnen Zeit zu schenken, aber auch mal traurig zu sein und zu weinen.

Ich danke auch dir liebe Karo, dass DU in mein Leben gekommen bist, dass wir uns seit so vielen Jahren kennen, vieles zusammen erlebt haben und das gemeinsame Projekt DIE T(H)UMORVOLLEN ins Leben gerufen haben. Ich habe dir damals mit meiner ersten Geschichte nur einen kleinen Anstoß gegeben. Wenn ich heute beobachte, mit welchem Elan und welcher Energie du diesen Verein führst und immer wieder erleben darf, wie ihr euch gegenseitig guttut, berührt es tief mein Herz und rührt mich auch gleichzeitig zu Tränen. Ich ziehe vor jeder einzelnen von euch meinen Hut und spreche euch meinen tief empfundenen Respekt aus. Es ist schön, ein kleiner Teil von euch zu sein. DANKE an alle und DANKE für dieses wunderbare Leben, das ich leben darf. Ich umarme euch. Alles Liebe, Babsi.