Ein ganz persönliches Interview

Zu Beginn des neuen Jahres hatte unsere Obfrau Karoline Riml gemeinsam mit Thomas Parth die einzigartige Gelegenheit, ein äußerst persönliches und intimes Interview für die Tiroler Tageszeitung zu führen. In diesem besonderen Gespräch tauchten sie tief in die Thematik (Brust-)krebs ein und lieferten nicht nur Einblicke, sondern schufen auch eine bedeutende Plattform für eine offene Auseinandersetzung mit diesem oft als Tabu betrachteten Thema.
 

Die gestellten Fragen und die darauf gegebenen Antworten eröffnen eine völlig neue und noch tiefergehende Perspektive auf die Herausforderungen, die mit der Diagnose der Krankheit einhergehen, und zeigen auf beeindruckende Weise, wie Menschen ganz individuell mit dieser Lebensveränderung umgehen. Die Offenheit und Ehrlichkeit in diesem Interview tragen dazu bei, das Bewusstsein für (Brust-)krebs zu schärfen und den Umgang mit der Diagnose zu entstigmatisieren, indem ein Raum für Empathie und Verständnis geschaffen wird. Hier geht es zum fertigen Bericht der Tiroler Tageszeitung. Und hier das vollständige Interview mit Karoline Riml.


Wann wurde bei dir Brustkrebs festgestellt? Wie alt warst du? Wie war das für dich, wie bist du mit der Diagnose umgegangen?

Nach allgemeinem Unwohlsein im Herbst 2019 ging ich nach einer Gesundenuntersuchung zur Mammographie, die mich die Ärzte schnurstracks nach Zams ins Krankenhaus schicken ließ. Dort bekam ich die Diagnose Brustkrebs, wie jede 8. Frau in Österreich. Mich erwischte es mit 48 Jahren. Ich nahm meine Diagnose sehr gefasst auf. Ich war nicht einmal wirklich schockiert. „Wie’s ischt, ischt’s“ – das war von Anfang an meine Devise. Mir war irgendwie schon bewusst, dass mit mir etwas nicht in Ordnung war. Das ist meiner, auch mich selbst betreffenden, Aufmerksamkeit geschuldet.


Wie hat sich die Krankheit bzw. deren Behandlung bei dir entwickelt?

Es begann mit einer Operation Anfang Oktober und einer zeitgleichen Hormontherapie. Dazu kam eine Strahlentherapie. Diese dauerte von Montag bis Freitag, was sehr belastend war und auch kräftezehrend. Die Müdigkeit begleitete mich von nun an ständig. Die OP hingegen verlief gut; meine Lymphknoten waren nicht befallen und das ersparte mir die Chemotherapie.


Wie lange dauerte die Therapie? Wie geht’s dir heute?

Am 31.12.2019 war meine Strahlentherapie erfolgreich abgeschlossen; meine Hormontherapie dauert bis zum heutigen Tage an. Heute geht es mir sehr gut, allerdings kämpfe ich auch mit der Hormontherapie. Nicht als einzige übrigens; jede:r, die/der da durch muss, kennt die Symptome: Gewichtszunahme, Schlafstörungen, teilweise auch Depressionen, Gliederschmerzen usw. – das sind nun mal die Nebenwirkungen; es geht mir aber trotzdem wirklich gut. 


Gab es schon BK-Fälle in deiner Familie vor dir?

Nein, in meiner Familie gab es bis dato keine Brustkrebsfälle. 


Wie ging dein Umfeld damit um, was sieht das „Umfeld“ anders, als du selber?

Mein Umfeld war definitiv schockierter, als ich selbst es war. Verständlicherweise: Davor „kannte ich auch immer nur jemanden, der es hat“ – sobald es einen aber selbst betrifft, gibt es keine andere Möglichkeit, als durchzuziehen. Für mich zumindest. Mein Umfeld hat mich ehrlich gesagt am meisten gestresst. Ich musste stark sein, mein Umfeld trösten, das Mitleid abwehren. Ich war plötzlich „die Kranke“, die „mit dem…“ – das war hart.


Wie bitte hast du es geschafft, diesem „potentiellen Todesurteil“ zu entrinnen, wie ihm auch noch mit Humor zu begegnen? 

Mich hat nicht wirklich die Angst vor dem Tod gepackt. Meine Devise ist „es ischt, wie’s ischt“. Meinen Humor versteht nicht jeder, nicht alle können damit umgehen. Mir war zu einhundert Prozent klar, dass ich den nie verlieren werde. So bin ich nun mal.


Was war der Auslöser, die Idee, DIE T(H)UMORVOLLEN zu gründen?

Acht Gleichgesinnte und ein Arzt kamen auf die Idee, einen Verein zu gründen, der das Thema Brustkrebs und den Grundgedanken, die gesellschaftlichen Tabus um dieses Thema aufzubrechen, zum Mittelpunkt hat.


Wie gelingt euch der gesellschaftliche Tabu-Bruch, dass man offen über die Krankheit spricht?

Zu einem Teil mit Humor; wie unser Vereinsname schon sagt. Zum anderen Teil mit gemeinsamen Aktivitäten, die aber Nicht-Erkrankte nicht ausschließen. 


Wie überwindest du die Einsamkeit, wie das Selbstmitleid?

Selbstmitleid kenne ich nicht. Einsamkeit kenne ich auch nicht wirklich. Bevor ich einsam werde, lese ich ein gutes Buch oder schreibe mein Tagebuch. Oder werde Obfrau eines Vereins!


Gibt es psychologische Wege, wie man „das Beste draus machen kann“?

„Glaube an dich selbst“. Ich bin keine Psychologin; aber das Beste aus einer Situation machen kann ich nur, wenn ich den Mut finde, wenn ich mich traue, wenn ich loslege – wenn ich etwas ausprobiere, Schritte nach vorne mache. Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied – auch wenn es ums Thema Erkrankungen geht. Ich habe das zweifelhafte Glück, dass ich einfach von Natur aus etwas taffer bin.


Wie geht eine junge Frau mit einer Brust-OP, oder gar einer -Entfernung um?

Ich habe bisher noch keine junge Frau kennengelernt, die einer Entfernung unterzogen wurde. Meistens versuchen die Ärzte, brusterhaltend zu operieren, denn es ist natürlich großer zusätzlicher psychischer Stress für eine (junge oder auch nicht junge) Patientin. Es gibt aber heutzutage wirklich tolle Methoden, um bei einer (teilweisen) Entfernung, mit Implantaten, Eigenfett o.Ä zu arbeiten, und so auch die gewünschte Ästhetik wieder herzustellen.


Was hat sich sonst/durch die Krankheit deine Sichtweise, Lebensstil, Einstellung geändert?

Eigentlich nichts. Außer, dass ich mein Herz noch mehr auf der Zunge trage und mich traue, zu sagen, was ich denke! Auch NEIN oder DANKE zu sagen gehört nun zu meinem Leben. Ich verspüre eine ganz andere Leichtigkeit und die genieße ich. 


Wie viele Mitglieder habt ihr?

98 Mitglieder. Fast 100!!


Wann/Wie kommen die Frauen zu dir? Kommen auch Männer?

Durch Anzeigen in Zeitungen und Magazinen, Social Media, über Homepage oder Veranstaltungen und Krankenhäuser, Apotheken und Arztpraxen. Bei uns kann jeder kommen und teilnehmen und es kommen auch die unterschiedlichsten Menschen. Wir schauen nicht, ob Männlein oder Weiblein, jeder der sich interessiert und oder etwas beitragen will, ist herzlichst willkommen. 


Wie viele waren schon bei euch?

Sehr viele. Siehe Mitglieder!


Was „leisten“ DIE T(H)UMORVOLLEN?

Wir halten Vorträge beziehungsweise ermöglichen sie, Care-Management bei behördlichen Wegen, Yoga, Onkosport, gemeinsame Wanderungen, Ausflüge, kulinarische Erlebnisse, Fotoshootings. Wir haben ein bunt gemischtes Programm, das sich sowohl an Patient:innen, als auch an Angehörige oder auch Interessierte richtet.


Wie trefft ihr euch? Einzeln in Gruppen, online, wo?

Das Jahresprogramm wird auf unserer Homepage veröffentlicht. Wir treffen uns ins Gruppen und unternehmen die unterschiedlichsten Dinge. Mittlerweile haben wir das Glück, beziehungsweise scheint unsere Arbeit derart zu fruchten, dass wir auch zu verschiedensten Einladungen erscheinen. An unterschiedlichsten Orten mit den vielseitigsten Menschen.


Was macht ihr da: wird „nur“ geredet, oder unternehmt ihr etwas zusammen?

Wir reden über Gott und die Welt, nicht nur über Krebs. Da ich gerne aufmerksam zuhöre, bleiben die meisten Ideen hängen, die wir dann ausarbeiten und auch durchführen.


Hast du psychologische/pädagogische Vorkenntnisse, oder eine Ausbildung dazu gemacht?

Nein. Die braucht es aber nicht. Die wichtigste Kenntnis/Fähigkeit ist das Zuhören.


Wie siehst du das Leben, wie den Tod?

Ich sehe es meiner Meinung nach sehr klar. Wir sind alle sterblich. Alles, was wir sehen, fühlen, spüren, riechen, schmecken, können, vergeht irgendwann. Alles kommt und geht. Vielleicht hört es sich am Anfang sehr hart an. Aber wenn ich die Tatsache akzeptieren kann, dass alles vergänglich ist, entfaltet das ein unglaubliches Befreiungspotential. Für mich ist das Leben ein Geschenk, überhaupt das, welches ich führen darf. Es ist einfach wunderschön. Es gibt Hochs und Tiefs, aber mit denen hab ich immer schon gelebt. Mittlerweile geh ich nicht mehr zum Lachen in den Keller, sondern lache überall. Besonders dann, wenn andere mit mir lachen.


Was gab dir am meisten Kraft?

Am meisten Kraft geben mir, haben mir meine Herzensmenschen gegeben. Für die muss ich ja noch ein wenig dableiben, manchmal auch auf die eine oder andere Weise durchdrehen. Für meine Handvoll Herzensmenschen bin ich unendlich dankbar.


Woher nimmst du den Mut für den seelischen wie physischen Striptease?

Ich habe keine Scheu (mehr). Ich traue mich, in die Öffentlichkeit zu treten, ich biete Paroli. Ich schäme mich nicht. Ich weiß wer ich bin und was ich habe und darauf bin ich stolz. Meine Herausforderungen, die das Leben mir so geboten hat, machten mich mutig. Am meisten Mut aber gab mir meine beste Freundin, die immer an mich geglaubt hat. Sie ist leider letztes Jahr an Krebs gestorben, nachdem ich sie über ein Jahr täglich durch ihren Kampf begleitet habe, bis zur letzten Sekunde. Mehr Mut geht nicht und daher gibt es keine größeren Herausforderungen mehr. Diesen Mut habe ich behalten. Und ein gewisser Glaube hilft mir auch, mutig zu sein.


Zuerst will man die Krankheit aus dem Körper bringen und endgültig loswerden, was nicht ohne Opfer geht. Wie lernt man sich und seinen Körper dann (neu) lieben? Wie sich selbst wieder schönfinden? 

Durch meine Diagnose bin ich extrem gewachsen. Ich kann endlich so sein, wie ich bin. Ich sage Nein. Ich sage Ja. Ich traue mich. Ich habe diese Ohrfeige anscheinend gebraucht, denn nun bin ich keine Außenseiterin mehr, die sich wehrt, sondern eine mutige und über sich selbst hinauswachsende Frau. Mein Rückgrat ist stark wie nie. Ich nehme es mit allem auf. Das entfaltet eine natürliche Schönheit, egal ob der Körper gezeichnet ist, oder nicht. Ich nehme das alles in Kauf und gehe mutig weiter. 


Was bedeutet das für eine Partnerschaft, für Sex und Liebe?

Es hat nicht jeder eine:n verständnisvollen Partner:in. Spätestens bei so einer Diagnose sollte der Spruch „in guten wie in schlechten Zeiten“ gelebt werden. Mit allem, was so kommt. Mein Partner ist wie meine Hängematte; das wünsche ich jedem Anderen auch. Sex ist nach gewissen Therapien, Behandlungen (wie einer Hormontherapie) nicht mehr unbedingt wichtig oder auch nicht mehr unbedingt angenehm. Sex ist aber auch nicht alles, oder? Was zählt, ist die wahre Liebe. Das Empfinden. Kuscheln. Dankesagen. „Ich brauche dich, ich vermisse dich“. Und auch: „Komm her zu mir.“ 


BILDQUELLE: Stefanie Fiegl Photography & Arts