Der Schmerz den du heute fühlst, ist die Stärke, die du morgen spürst.

Hallo ihr da draußen! Ich heiße Simone, bin 46 Jahre jung, seit 25 Jahren in einer richtig guten Beziehung, habe zwei erwachsene, tolle Kinder und darf euch hier MEINE Geschichte erzählen.


In einer Metzgerei groß zu werden ist für ein junges Mädel nicht so lustig. Ich bin in einer Unternehmerfamilie groß geworden, Langeweile gab es kaum, dafür viel, viel Arbeit. Ich lernte schon als Kind durchzuhalten und einfach weiter zu machen, komme was wolle! Meinen Berufswunsch als Hubschrauberpilotin belächelte man, Lernschwäche und Prüfungsangst inklusive. Aber ich schaffte meinen Hauptschulabschluss und weiter benötigte ich, laut meinem Vater, nichts. Ich habe immer gearbeitet und war fleißiger als andere, ich musste mich schließlich beweisen. Mit 21 Jahren lernte ich meinen jetzigen Mann kennen, einen Metzger! Wir zogen rasch zusammen und wurden knapp vier Jahre später Eltern eines Sohnes, zwei Jahre später folgte unsere Tochter – unser ganzes Glück die beiden Kinder. Es war eine schöne Zeit!

Ende 2009 passierte dann das Zerwürfnis meiner beiden Halbgeschwister mit unserem gemeinsamen Vater, die beiden führten bis dahin das Familienunternehmen. Mein Mann und ich „sprangen ein und retteten die Firma meines Vaters“, so jedenfalls meinten wir, gehöre sich das. Dass meine erste Reaktion Tränen waren, blendete ich aus. Schließlich fragte mein Vater uns ob wir Interesse an dem Unternehmen hätten. Er wolle uns zwei, drei Jahre helfen und dann könnten wir die Firma selbst führen und er würde sie uns übergeben. Mein Mann war in einer Phase seines Lebens, in der er sich weiterentwickeln wollte und ich verstand dies – wir harmonierten gut und waren uns einig – das schaffen wir gemeinsam. Ich weiß noch genau, dass ich mit meiner besten Freundin bei einer unserer täglichen Laufeinheiten ganz euphorisch davon sprach und sie sich genauso für mich freute. Aber in ruhigen Momenten meines Lebens, und da gab es nicht wirklich viele, hörte ich meine innere Stimme immer ein wenig sprechen, ich nahm sie nicht ernst – das sollte ich Jahre später enorm bereuen!
 
Wir haben uns sehr rasch und gut eingearbeitet, haben Kunden dazugewonnen, waren echt und authentisch und verstanden uns gut mit meinem Vater. Eine Verkäuferin haben wir aus der Zeit meiner Stiefgeschwister übernommen und sie wurde mir eine echte, starke Mitarbeiterin und Freundin. 2014 bekam sie die Diagnose Lungenkrebs, unheilbar. 2015 verstarb sie. Dies war ein unglaublich einschneidendes Erlebnis, durfte ich sie doch bis zu ihrem letzten Tag begleiten.
 
Ab diesem Zeitpunkt war nichts mehr wie zuvor, ihre letzten Worte an mich haben mich nie mehr losgelassen, so wahr waren sie. Ich stürzte mich in die Arbeit, funktionierte wie man so schön sagt, war mir meines Tagesablaufes nicht mehr im Klaren, dachte nicht mehr über mich nach. Frühmorgens aufstehen, unseren Sohn um fünf oder sechs Uhr früh von Telfs nach Wenns im Pitztal zu seiner Lehrstelle fahren, abwechselnd mal mein Mann, mal ich, drei Jahre lang. Danach arbeiten, zu Mittag kochen, 10 Kilometer laufen, nach Hause, Haushalt und funktionieren. Die Firma lief unglaublich gut, mit meinem Mann harmonierte ich, Ideen setzten wir gekonnt um und ich hatte zum ersten Mal in meinem Leben das Gefühl eine „Berufung“ gefunden zu haben – ich wollte mit meinem Mann zum nächsten Schritt ansetzen, spürte aber dass das nicht der Plan meines Vaters war! Ich steckte fest, mein Mann und ich konnten und durften uns nicht entfalten – zum ersten Mal erkannte ich, dass mein Vater all die Fäden in der Hand hielt, dass das alles System hatte, ich war schockiert und verstand in dem Augenblick mein bis dahin gelebtes Leben in einem ganz anderen Umfang!  Ich war am Boden zerstört. So riet mir eine Schulfreundin meinen Abschluss als Einzelhandelskauffrau am WIFI in Innsbruck zu machen. Fünf Monate Abendkurs und dann die Prüfungen, welche ich 2017 mit ausgezeichnetem Erfolg abschloss. Mein Mann wollte an dem Unternehmen festhalten, es lief hervorragend, aber ich konnte nicht mehr. Dieser jahrelange, emotionale Missbrauch hatte Spuren hinterlassen, ich war am Boden zerstört. An unserem 13. Hochzeitstag im August haben wir beide gekündigt. Keine Arbeit, keinen Verdienst und was das Schlimmste war, die Wohnung, in der wir mit unseren Kindern wohnten, gehörte meinem Vater!

Er bot uns die Möglichkeit, das alte Haus unserer Uri-Oma zu kaufen. Ankommen, ein Dach über dem Kopf haben, die Kinder zur Ruhe kommen zu lassen. Wir haben uns dann beide bei einem großen Lebensmittel-Discounter beworben, mein Mann als Filialleiter und ich als Kassiererin, ich fing im November 2017 an und mein Mann im Dezember 2017. Wir arbeiteten in einem hohen Stundenfaktor und es ging bergauf, Augen zu und durch. Im Dezember 2017 sagte ich zu meinem Mann, dass ich das Gefühl hatte krank zu werden, aber nicht benennen konnte, was ich bekomme. Zehn Monate später stand die Zeit still. Am 22. Oktober 2018 wachte ich morgens auf, kratzte mich am Arm, hinauf zur Schulter und über mein Brustbein, da war ein kleiner Knoten. Erster Gedanke: „DER gehört nicht zu mir.“ Aufstehen, waschen, Zähne putzen, vor dem Spiegel, wie tausendmal in meinem Leben meine Brust abtasten, kein Knoten spürbar. Ich legte mich auf die Couch, versuchte nochmal dieses „Knötchen“ zu ertasten. Da, da ist es wieder! Kein Schmerz, doch mein Instinkt ließ mich nicht mehr zur Ruhe kommen.

Arbeiten gehen, funktionieren, zwei Tage später erzählte ich meinem Mann davon. Mammographie, Ultraschall, der Arzt findet nichts. Ok, waren ja gerade ca. zehn Monate vergangen seit der letzten Mammographie. Ich zeigte dem Arzt die Stelle und wurde nach Zams überwiesen. Dort treffe ich nach Jahren einen alten Schulfreund, Dr. Stefan Hiehs. Unglaublich! Er untersuchte mich, Biopsie, warten, Kaffee trinken gehen. Dann, nun ja, Diagnose Brustkrebs, Hormonsensitiv, bösartig. DAS war das Gefühl, welches mich vor zehn Monaten ein wenig bewegte. Dann ging alles sehr schnell, Untersuchungen und am 02. November 2018 meine OP. Ab dem 03. Dezember Strahlentherapie, 26 Einheiten. Von da an war Müdigkeit mein ständiger Begleiter. Durch die Medikation von Tamoxifen und Zoladex waren Schwindel, Übelkeit, Verstopfung, Depression, kompletter Libidoverlust, Kalt-Warm Empfindung und zu guter Letzt auch die Thrombose schlimme Begleiterscheinungen. Ich setzte die komplette Medikation ab (mit ärztlicher Absprache) und es dauerte ungefähr ein halbes Jahr bis ich wieder zu mir fand. Es war wirklich sehr schlimm, ich fühlte mich nicht mehr wie ich selbst.

Nicht nur ich litt, auch meine Kinder und mein Mann, ich spürte, dass die Familie unter dieser Last zusammen zu brechen schien, alles wofür ich jemals gelebt hatte entglitt mir. Auch meine Psychologin, welche ich seit fast drei Jahren besuchte, konnte mir kaum mehr helfen. Durch so ein tiefes Tal war ich in meinem Leben noch gewandert. Ich weiß, dass ich irgendwann wieder einen Berg erklimmen werde, aber das wird noch lange dauern.

Nun, ich weiß es geht immer weiter und ich werde alt werden, aber JETZT muss ich was ändern. So tut sich bei mir ein neuer Fokus auf und ich freue mich auf das WIFI in Linz im März 2021 und gehe meinen Weg!

 

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